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Bundeskartellamt: Neue Leitlinien zur Bußgeldbemessung und zum Kronzeugenprogramm

Bundeskartellamt veröffentlicht neue Leitlinien zu Bußgeldberechnung und Kronzeugenprogramm

Das Bundeskartellamt hat am 11. Oktober 2021 seine aktualisierten Leitlinien zur Bußgeldbemessung in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren sowie seine aktualisierten Leitlinien zum sog. Kronzeugenprogramm veröffentlicht.

Mit den neuen Leitlinien zur Bußgeldbemessung modernisiert das Bundeskartellamt seine Bußgeldzumessung in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren. Geändert hat sich vor allem die Zumessungsmethodik, die sich noch mehr an der gerichtlichen Praxis orientiert. Maßgeblicher Gesichtspunkt bleibt aber der von dem Kartellverstoß betroffene Umsatz. Insgesamt wird sich daher das Bußgeldniveau nicht wesentlich ändern. In den Leitlinien erläutert das Bundeskartellamt auch die mit der 10. GWB-Novelle in das Gesetz aufgenommene Möglichkeit, bestehende Compliance-Maßnahmen mildernd zu berücksichtigen, obwohl es zu einem Kartellverstoß gekommen ist.

In den Erläuterungen zu den Leitlinien für die Bußgeldzumessung in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren finden sich in Anmerkung 3 zu Ziff. 14 (S. 11) folgende aus EMB-Sicht bemerkenswerte Aussagen:

„Ein berücksichtigungsfähiger Faktor sind Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von entsprechenden Zuwiderhandlungen (Compliance). Art und Umfang von erforderlichen Vorkehrungen hängen vom jeweiligen Einzelfall ab und dabei insbesondere von Art, Größe und Organisation eines Unternehmens, den zu beachtenden Vorschriften sowie dem Risiko ihrer Verletzung.

Mildernd kann zum einen berücksichtigt werden, dass im Unternehmen bereits zur Tatzeit alle objektiv erforderlichen Vorkehrungen ergriffen worden sind, um kartellrechtliche Zuwiderhandlungen wirksam zu verhindern (Vortat-Compliance). Eine Wirksamkeit von Vortat-Compliance ist in der Regel dann anzunehmen, wenn die getroffenen Vorkehrungen zur Aufdeckung und umgehenden Anzeige der Zuwiderhandlung geführt haben. Ferner steht es der Wirksamkeit von Vortat-Compliance nicht entgegen, wenn die getroffenen Vorkehrungen allein deswegen nicht zur Aufdeckung und Anzeige geführt haben, weil die handelnde Person sich zwecks Erzielung persönlicher Vorteile über den Compliance-Kodex des Unternehmens in außergewöhnlichem Maße und unter gezielter Täuschung seiner Vorgesetzten hinweggesetzt hat. Eine Berücksichtigung von Vortat-Compliance kommt jedoch nicht in Betracht, wenn an der Zuwiderhandlung eine für die Leitung des Unternehmens verantwortliche Person beteiligt gewesen ist. Dies ist in aller Regel der Fall bei Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern der Nebenbetroffenen selbst oder anderer Konzerngesellschaften, die in der Hierarchie des Unternehmens oberhalb der Nebenbetroffenen stehen.

Zum anderen können nach der Tat getroffene Vorkehrungen zur effektiven Vermeidung und Aufdeckung von entsprechenden Zuwiderhandlungen (Nachtat-Compliance) im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des positiven Nachtatverhaltens mildernd berücksichtigt werden. Eine Milderung zieht das Bundeskartellamt insbesondere in Betracht, wenn das Unternehmen überzeugend die ergriffenen Vorkehrungen zur wirkungsvollen Vermeidung künftiger vergleich- barer Verstöße darlegt und ein Bekenntnis zu rechtskonformem Handeln klar erkennbar ist. Ein wichtiges Indiz für die Ernsthaftigkeit von Nachtat-Compliance ist zum einen, dass ein Unternehmen bei der Aufklärung der Tat aktiv kooperiert. Zum anderen fließt auch das Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, in diese Beurteilung der Ernsthaftigkeit mit ein. Aktive Kooperation bei der Aufklärung und das Bemühen um Schadenswiedergutmachung sind zugleich auch eigenständig zu bewertende Aspekte des positiven Nachtatverhaltens (Doppelfunktion).“

Kronzeugenprogramme zeichnen sich dadurch aus, dass Kartellbeteiligten die Geldbuße vollständig erlassen oder ermäßigt werden kann, wenn sie dazu bei- tragen, ein Kartell zwischen Wettbewerbern aufzudecken. Kronzeugenprogramme werden schon seit Jahrzehnten weltweit im Kartellrecht eingesetzt. Aus Sicht des Bundeskartellamts sind die Kronzeugenprogramme für die Kartellbekämpfung von zentraler Bedeutung, da Kartelle typischerweise nur von innen heraus aufgedeckt werden können.

Anfang 2021 wurde im Zuge der 10. GWB-Novelle das Kronzeugenprogramm erstmals im Gesetz verankert; hierbei wurden auch Vorgaben des einschlägigen EU-Rechts umgesetzt.

Bei Interesse finden Sie die jeweils aktualisierten Bußgeldleitlinien sowie die Leitlinien zum Kronzeugenprogramm auf der Internetseite des Bundeskartellamts (www.bundeskartellamt.de/kartellverbot/materialien).