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Hohe Hürde für Auflösung des Betriebsrats wegen Kritik an Arbeitgeber

LAG Köln bestätigt hohe Hürde für Antrag auf Betriebsratsauflösung

Das LAG Köln hat mit Beschluss vom 14.1.2022 (Az. 9 TaBV 34/21) zur Auflösung des Betriebsrats wegen Kritik am Arbeitgeber in Rundschreiben Stellung genommen und im konkreten Fall die vom Arbeitgeber beantragte Betriebsratsauflösung in zweiter Instanz abgelehnt.

Die Entscheidung ist mit folgenden redaktionellen Leitsätzen überschrieben:

  1. Der Betriebsrat ist grundsätzlich berechtigt, sich in einem Rundschreiben an die Arbeitnehmer zu wenden.
  2. Ein Arbeitgeber kann gemäß § 23 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz die Auflösung des Betriebsrats nur wegen solcher Pflichtverletzungen beantragen, die Rechte und Pflichten des Betriebsrats ihm gegenüber betreffen. Pflichtverletzungen im Verhältnis der Betriebsratsmitglieder untereinander oder im Verhältnis zur Belegschaft kann der Arbeitgeber hingegen nicht geltend machen. Denn er ist weder Anwalt der Belegschaft noch des Betriebsrats.
  3. Die Grundlagen des Vertrauens werden nachhaltig gestört, wenn in einem Rundschreiben ein Verhalten des Arbeitgebers nicht nur sachlich falsch (Tatsachenbehauptung), sondern böswillig entstellt dargestellt wird und eine solche Äußerung geeignet ist, den Arbeitgeber in den Augen der Arbeitnehmerschaft herabzusetzen.
  4. Betriebsinterne Kritik am Arbeitgeber ist als Ausübung der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) erlaubt, auch wenn sie scharf und polemisch ausfällt.
  5. Der Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit wird erst dann überschritten, wenn der Betriebsrat die Gespräche und die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber wiederholt oder gar systematisch durch haltlose Anschuldigungen stört.

Im vorliegenden Fall ging es um nachfolgenden Sachverhalt:

Die Arbeitgeberin ist ein Zustellunternehmen mit 132 Arbeitnehmern und einem ursprünglich siebenköpfigen Betriebsrat. Die Arbeitgeberin beantragt die Auflösung des noch verbliebenen Rumpfbetriebsrats. Der Betriebsrat habe in einem Rundschreiben an die Belegschaft so heftige Kritik an der Arbeitgeberin geübt, dass das Verhältnis zerrüttet sei. Im Vorfeld hatte es innerhalb des siebenköpfigen Gremiums heftige Auseinandersetzungen gegeben. Vier Mitglieder hatten deshalb das BR-Mandat niedergelegt. Der Rumpfbetriebsrat wendete sich nun mit einem Rundschreiben an die Belegschaft, in dem neben der Kritik an der Arbeitgeberin auch über eine neue Vergütung-Betriebsvereinbarung informiert wurde. Die Arbeitgeberin verweigerte den Versand des Rundschreibens und untersagte dies dem Betriebsrat unter anderem mit der Begründung, dass das Schreiben gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoße, wahrheitswidrige Behauptungen enthalte und dass die Herausgabe von Betriebsvereinbarungen nicht gestattet sei. Das Arbeitsgericht Aachen hat den Betriebsrat aufgelöst.

Entscheidung:

Das LAG Köln gab der Beschwerde des Betriebsrats statt. Der Betriebsrat sei nicht gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Betriebsverfassungsgesetz wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten aufzulösen. Ein grober Verstoß gegen gesetzliche Pflichten liegt nur dann vor, wenn die Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Da die Auflösung des Betriebsrats eine besonders einschneidende Sanktion darstellt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob eine weitere Amtsausübung des Betriebsrats untragbar erscheint. Vorliegend stellen weder der Inhalt des Rundschreibens noch sein Versand so schwerwiegende Pflichtverletzungen dar, dass eine weitere Amtsausübung des Betriebsrats untragbar wäre. Hierbei stützt sich das LAG Köln auf die in den redaktionellen Leitsätzen wiedergegebenen Erwägungen.

(Quelle: CCZ, Heft 6/2022, S. 202)