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Kein Schadensersatzanspruch wegen angeblicher Amtspflichtverletzung infolge eines kartellrechtlichen sog. „Settlements“

OLG Köln verneint Schadensersatzanspruch wegen angeblicher Amtspflichtverletzung infolge eines kartellrechtlichen sog. Settlements

§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gewährt weder einen Schadensersatzanspruch auf Erstattung des im Wege eines sog. „Settlements“ mit der Kartellbehörde durch einen rechtmäßigen Bußgeldbescheid festgesetzten Bußgeld noch einen solchen auf Erstattung des aufgrund der Verteidigung gegen die zutreffend erhobenen Vorwürfe entstandenen Verteidigerhonorars. Der Ersatz dieser Schäden ist nicht vom Schutzzweck der Norm des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG umfasst. Dies hat das OLG Köln mit Urteil vom 21. September 2021 (Az. 7 U 166/20) entschieden.

Die Klägerin nimmt im vorliegenden Fall die beklagte Bundesrepublik Deutschland wegen einer ihrer Auffassung nach gegebenen Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG auf Schadensersatz in Höhe eines von ihr gezahlten Bußgeldes und von ihr aufgewendeter Rechtsverteidigungskosten im Bußgeldverfahren in Anspruch.

Die Klägerin ist eine international tätige deutsche AG. Sie ist insbesondere im Vertrieb von Agrarprodukten tätig. Mit mehreren weiteren Unternehmen aus diesem Sektor traf sie im Zeitraum von 1998 bis 2015 Absprachen derart, dass die Unternehmen die Listenpreise für den Verkauf an den Einzelhandel und die Endverbraucher betreffend Pflanzenschutzmittel abstimmten.

Am 2. Dezember 2014 ging beim Bundeskartellamt ein hierauf bezogener anonymer Hinweis ein. Am 12. Januar 2015 kontaktierte daraufhin der zuständige Berichterstatter der 2. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts telefonisch zwei ebenfalls an dem Kartell beteiligte Mitbewerber der Klägerin. Er informierte diese über den anonymen Hinweis. Hintergrund der Telefonate, deren Inhalt im Einzelnen streitig ist, war die Stellung eines Bonusantrags gemäß der Bekanntmachung Nr. 9/2006 des Bundeskartellamts über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen vom 7. März 2006 anzusprechen. Am 12. Januar 2015 setzte einer der zwei kontaktierten Mitbewerber den ersten sog. Marker, um den Rang im Rahmen der Bonusregelung zu wahren. Am 13. Januar 2015 folgte der zweite kontaktierte Mitbewerber. Ein ebenfalls kontaktierter dritter Mitbewerber stellte keinen Bonusantrag.

Der Berichterstatter fertigte über die von ihm geführten Telefonate erst unter dem 18. Februar 2015 einen auf den 27. Januar 2015 rückdatierten Telefonvermerk an, nachdem hausintern erörtert worden war, ob es eines solchen Vermerks bedürfe.

Im Anschluss an die Markersetzung strengte das Bundeskartellamt ein Bußgeldverfahren gegen die Klägerin und weitere der beteiligten Unternehmen an. Die Klägerin stimmte letztlich einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung zu und räumte die Tatvorwürfe ein („Settlement“). Ein solches Settlement begründet keinen Rechtsmittelverzicht. Das Vorgehen der Beteiligten wurde als Zuwiderhandlung gegen das deutsche und europäische Kartellrecht bewertet und es wurden Bußgelder von rund 157 Mio. Euro verhängt. Das höchste Einzelbußgeld erhielt über 68,6 Mio. Euro mit Bußgeldbescheid vom 8. Januar 2020 die Klägerin. Rechtsmittel gegen die sie betreffende Bußgeldentscheidung legte die Klägerin nicht ein. Sie wandte insgesamt 4,2 Mio. Euro an Kosten für die Rechtsverteidigung auf. Gegen die Mitbewerberin, die als erste den Marker gesetzt hatte, wurde das Verfahren im Rahmen der Bonusregelung eingestellt.

Das in erster Instanz zuständige LG Köln hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hiergegen wurde vom OLG Köln zurückgewiesen. Zu Recht habe das Landgericht dahin entschieden, dass Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die beklagte Bundesrepublik Deutschland bereits sowohl an der fehlenden Kausalität zwischen den behaupteten Amtspflichtverletzungen und dem geltend gemachten Schaden als auch an der Ausschlussnorm des § 839 Abs. 3 BGB (sog. Spruchrichterprivileg) scheitern. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gewährt weder einen Schadensersatzanspruch auf Erstattung des im Wege eines Settlements mit der Kartellbehörde durch einen rechtmäßigen Bußgeldbescheid festgesetzten Bußgelds noch einen solchen auf Erstattung des aufgrund der Verteidigung gegen die zutreffend erhobenen Vorwürfe entstandenen Verteidigerhonorars. Der Ersatz dieser Schäden ist nicht vom Schutzzweck der Norm des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG umfasst.