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LAG Düsseldorf und LAG Baden-Württemberg urteilen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen i.S.d. Geschäftsgeheimnisgesetzes

Urteile des LAG Düsseldorf und des LAG Baden-Württemberg zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

1. LAG Düsseldorf
Das LAG Düsseldorf hat sich mit Urteil vom 3. Juni 2020 (Az. 12 SaGa 4/20) mit der zentralen Frage beschäftigt, wann ein Geschäftsgeheimnis vorliegt.

Das LAG Düsseldorf hatte über Unterlassungsansprüche eines Unternehmens gegenüber einem ehemaligen Mitarbeiter aufgrund der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen zu entscheiden. Kurz vor seinem Ausscheiden erhielt der Mitarbeiter von dem Unternehmen eine Kundenliste für seine Provisionsabrechnungen. Nach seinem Ausscheiden gab er diese nicht zurück, sondern nutzte diese für die Tätigkeit bei seinem neuen Arbeitgeber, einem Konkurrenten seines bisherigen Arbeitgebers. Darüber hinaus fertigte der ehemalige Mitarbeiter private Aufzeichnungen zu Kundenbesuchen an.

Das Gericht beschäftigte sich zunächst mit der Frage, ob die privaten Aufzeichnungen überhaupt in den Anwendungsbereich des Geschäftsgeheimnisgesetzes fallen. Laut Gericht handele es sich bei den Aufzeichnungen um Informationen, „die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich und daher von wirtschaftlichem Wert sind.“ Neben den Kundenlisten seien also auch die privaten Aufzeichnungen als Geschäftsgeheimnis einzustufen. Entscheidend sei, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes (wirtschaftliches) Interesse an der Geheimhaltung der Informationen habe.

Anschließend setzte sich das Gericht mit der Problematik auseinander, ob vorliegend durch den Arbeitgeber angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen wurden. Konkret wurde in dem Arbeitsvertrag eine sog. „Catch-all“-Klausel vereinbart, also eine Klausel, durch die der Arbeitnehmer sich auf unbestimmte Zeit verpflichtet, alle Informationen geheim zu halten, die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses durch Angelegenheiten und Vorgänge im Zusammenhang mit der Tätigkeit für den Arbeitgeber erlangt wurden. Das Gericht entschied, dass eine solche – häufig in Arbeitsverträgen verwendete Klausel – unwirksam sei. In den Augen der Richter sei die Klausel zu pauschal und würde dem Arbeitnehmer Geheimhaltungspflichten aufbürden, die bereits dem Grunde nach nicht geheimhaltungsbedürftig sind. Außerdem benachteilige eine solche Klausel den Arbeitnehmer in unzulässiger Weise, da die Geheimhaltungsverpflichtung weit über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinausgehe. Im Ergebnis seien „Catch-all“-Klauseln nicht als angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz einzustufen.
Die Unwirksamkeit der „Catch-all“-Klausel hat für betroffene Unternehmen schlimmstenfalls den Verlust sämtlichen Schutzes nachvertraglicher Geheim- haltungsrechte zur Folge. Denn auch Informationen, die dem Grunde nach durch das Geschäftsgeheimnisgesetz geschützt würden, stellen eben kein Geschäftsgeheimnis dar, wenn es an der Implementierung der angemessenen Schutzmaßnahmen fehlt. Dagegen bestätigte das Gericht, dass rein vertragliche Vereinbarungen grundsätzlich als Schutzmaßnahmen ausreichen würden, sofern sie konkret genug seien.

Für Unternehmen bedeutet dies, dass die bestehenden Klauseln in Arbeitsverträgen gründlich überprüft und gegebenenfalls angepasst werden sollten. Auch bei neuen Arbeitsverträgen ist auf die Vereinbarung einer hinreichend konkreten und einzelfallbezogenen Klausel zu achten.

2. LAG Baden-Württemberg
Mit Urteil vom 18. August 2021 (Az. 4 SaGa 1/21) hat das LAG Baden-Württemberg entschieden, dass eine einstweilige Verfügung wegen Unterlassung der Nutzung von Geschäftsgeheimnissen nicht ergehen kann, wenn der Verfügungsbeklagte nicht mehr im Besitz der Geschäftsgeheimnisse ist und dies etwa durch eine eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht hat.

Die Schwelle für die Angemessenheit der Schutzmaßnahmen wird vom LAG Baden-Württemberg nicht besonders hoch angesetzt. Ferner nennt das Gericht Beispiele für mögliche Geheimhaltungsmaßnahmen, an denen Unternehmen sich bei der Gestaltung ihrer Know-how-Schutzkonzepte orientieren können. Ohne angemessene Geheimschutzmaßnahmen ist der Inhaber der Geheimnisse schutzlos gestellt, stellen die Richter klar.

Im vorliegenden Fall stritten die Parteien über die Nutzung einer Preiskalkulation des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer hatte sich die Kalkulation des Arbeitgebers an seine private E-Mail-Adresse weitergeleitet. Darin sah der Arbeitgeber eine Verletzung seiner Geschäftsgeheimnisse. Erstinstanzlich hat das Arbeitsgericht Stuttgart den Arbeitnehmer im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, die Nutzung oder sonstige Verwertung der Preiskalkulation zu unterlassen. Gegen dieses Urteil legte der Arbeitnehmer Berufung ein. Dabei trug der Arbeitnehmer insbesondere vor, er habe eidesstattlich versichert, die E-Mail unwiederbringlich gelöscht und auch nicht an Dritte weitergeleitet zu haben. Überdies versicherte er, zu keinem Zeitpunkt Ausdrucke oder sonstige Replikationen der Preiskalkulation angefertigt zu haben.

Das LAG wies den Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers ab. Zwar handele es sich bei der Preiskalkulation um ein Geschäftsgeheimnis. Überdies habe der Arbeitgeber die Kalkulation auch mit angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen geschützt. Dabei sei kein optimaler Schutz erforderlich, sondern ein einzelfallabhängiger Bewertungsmaßstab anzulegen. Insbesondere sei die Errichtung einer IT-Richtlinie über den Umgang mit vertraulichen Informationen und die Nutzung des E-Mail-Systems des Arbeitgebers ein geeigneter Bestandteil für angemessene Schutzmaßnahmen. Dies gelte auch für weitere bei dem Arbeitgeber bestehende Maßnahmen, wie u. a. vertragliche Geheimhaltungsregelungen mit Arbeitnehmern und ein Compliance-System.

Indem der Arbeitnehmer versichert habe, die E-Mail unwiederbringlich gelöscht und auch keine Replikationen hiervon gefertigt zu haben, entfalle ein etwaiger Anspruch auf Unterlassung. Denn dem Arbeitnehmer ist die zu verbietende Handlung objektiv nicht mehr möglich. Es fehle insoweit an der erforderlichen Wiederholungsgefahr.

Das LAG Baden-Württemberg verlangt entsprechend dem Gesetzeswortlaut in § 2 Nr. 1 b Geschäftsgeheimnisgesetz das Vorliegen von angemessenen Schutzmaßnahmen, damit ein Unternehmen sich gegen die Verletzung seiner Geschäftsgeheimnisse verteidigen kann. Hierfür trägt das Unternehmen die Darlegungs- und Beweislast. Dabei nennt das Gericht konkrete Bausteine eines möglichen Schutzmaßnahmenkonzepts, u. a. IT-Policy, Compliance-System, Need-to-know-Prinzip (Verbot des Zugriffs auf Daten oder Informationen, wenn diese Informationen nicht unmittelbar für die Erfüllung der konkreten Aufgabe benötigt werden) und Verschwiegenheitsvereinbarungen.

Bei der Bewertung dieser Maßnahmen legt das Gericht keinen übermäßig strengen Maßstab an. Ausreichend sind objektiv dem Geheimnisschutz dienende Maßnahmen, die auch tatsächlich umgesetzt werden. Unternehmen sind also gut beraten, entsprechende Schutzmaßnahmen einzuführen, diese zu Beweiszwecken zu dokumentieren, deren Umsetzung sicherzustellen und etwaige später aufgedeckte Mängel im Rahmen eines Überarbeitungsprozesses zu beheben. (Quelle: Online-Zeitschrift Compliance Ausgabe Dezember 2021/Januar 2022)