Am 7. März 2024 veröffentlichte der Gerichtshof der Europäischen Union („EuGH“) sein Urteil in der Rechtssache Endemol Shine (Rechtssache C-740/22). In dieser Rechtssache hatte der EuGH zu beurteilen, ob die mündliche Weitergabe von Informationen als Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) angesehen werden kann. Darüber hinaus musste der EuGH das Verhältnis zwischen dem Schutz personenbezogener Daten und dem Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten klären.
Hintergrund
Der Fall geht auf einen mündlichen Antrag von Endemol Shine bei einem finnischen Bezirksgericht zurück, in dem es um Informationen über möglicherweise verhängte oder bereits verbüßte Strafen in Bezug auf eine natürliche Person ging, die an einem von Endemol Shine veranstalteten Wettbewerb teilgenommen hatte. Das Bezirksgericht lehnte die mündliche Auskunft mit der Begründung ab, dass es keine Rechtsgrundlage für die Suche nach den gewünschten Informationen in seinen Systemen habe.
Endemol Shine legte gegen diese Ablehnung Berufung beim Berufungsgericht von Ostfinnland ein, das den EuGH um Stellungnahme zu folgenden Fragen ersuchte: (1) ob die mündliche Weitergabe personenbezogener Daten als Datenverarbeitung anzusehen ist und (2) ob Daten über strafrechtliche Verurteilungen einer natürlichen Person, die in den Akten eines Gerichts enthalten sind, mündlich an jedermann weitergegeben werden dürfen, um den Zugang der Öffentlichkeit zu amtlichen Dokumenten zu gewährleisten.
Entscheidung des EuGH
In Beantwortung dieser Fragen stellte der EuGH fest, dass der Begriff „Verarbeitung“ im Rahmen der DSGVO weit auszulegen ist und auch die mündliche Weitergabe umfasst. Nach Ansicht des EuGH enthält Art. 4 Nr. 2 DSGVO keine Einschränkung, die das Gericht daran hindern würde, eine mündliche Mitteilung als „Verarbeitung“ zu betrachten. Diese weite Auslegung steht im Einklang mit dem Ziel des Gesetzgebers, ein hohes Schutzniveau für personenbezogene Daten zu gewährleisten. Der EuGH stellte fest, dass „die Möglichkeit, die Anwendung [der DSGVO] dadurch zu umgehen, dass personenbezogene Daten mündlich statt schriftlich übermittelt werden, […] diesem Ziel nämlich offensichtlich zuwiderliefe.“
Der EuGH stellte des Weiteren fest, dass eine manuelle (also nichtautomatisierte) Datenverarbeitung nur dann in den Anwendungsbereich der DSGVO fällt, wenn die verarbeiteten Daten Teil eines Dateisystems sind oder sein sollen. Der EuGH ist jedoch der Ansicht, dass dies auf den Fall Endemol Shine zutrifft, da die von dem Unternehmen angeforderten personenbezogenen Daten in einem Gerichtsregister enthalten sind, bei dem es sich um ein Dateisystem handelt.
In der Frage des Verhältnisses zwischen der DSGVO und dem Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu amtlichen Dokumenten vertrat der EuGH angesichts der Sensibilität von Daten über strafrechtliche Verurteilungen und der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte des Einzelnen die Auffassung, dass die Offenlegung dieser Informationen gegenüber jeder Person, die sie beantragt, ohne dass der Antragsteller ein besonderes Interesse nachweisen muss, nicht mit der DSGVO vereinbar ist.
(Quelle: DSN Group, datenschutz notizen vom 30. Mai 2024)