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Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelnder Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie

EU-Kommission leitet gegen Deutschland und 23 weitere Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelnder Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie ein

Die EU-Kommission hat am 27. Januar 2022 ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland sowie gegen 23 weitere Mitgliedstaaten durch Übermittlung eines sog. Aufforderungsschreibens eingeleitet. Diese Staaten haben die Umsetzungsfrist der EU-Whistleblower-Richtlinie mit Ablauf des 17. Dezember 2021 verstreichen lassen.

Ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren wird von der EU-Kommission eingeleitet, wenn ein EU-Mitgliedstaat die Maßnahmen zur vollständigen Umsetzung einer Richtlinie nicht mitteilt oder einen mutmaßlichen Verstoß gegen das EU-Recht nicht behebt. In einem ersten Schritt ersucht die EU-Kommission mittels eines Aufforderungsschreibens den betroffenen Mitgliedstaat um weitere Informationen. Der Mitgliedstaat hat in der Regel zwei Monate, um eine ausführliche Antwort abzugeben.

Ist die EU-Kommission der Auffassung, dass der Mitgliedstaat gegen EU-Recht verstößt, gibt sie eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab. Damit fordert sie den Mitgliedstaat auf, eine Übereinstimmung mit dem EU-Recht herzustellen und sie über die getroffenen Maßnahmen innerhalb von zwei Monaten zu unterrichten. Verstößt der EU-Staat in der Folgezeit weiterhin gegen das EU-Recht, kann die EU-Kommission diesen EU-Mitgliedstaat vor dem EuGH verklagen. Dieser kann im Falle der mangelnden Umsetzung einer EU-Richtlinie Sanktionen verhängen.

Die Ampelkoalition hat sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, die EU-Whistleblower-Richtlinie „rechtssicher und praktikabel“ umzusetzen. Ferner ist festgelegt worden, dass Hinweisgeber „auch von erheblichen Verstößen gegen Vorschriften oder sonstigem erheblichen Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt“, geschützt werden müssen. Demzufolge wird das deutsche Umsetzungsgesetz aller Voraussicht nach über die Mindestanforderungen der EU-Richtlinie hinausgehen. Die Bundesregierung hat jedoch noch keinen konkreten Umsetzungszeitraum mitgeteilt.

Inhaltlich müssen sich Unternehmen mit 250 oder mehr Mitarbeitern darauf einstellen, kurzfristig zur Einführung von Hinweisgebersystemen verpflichtet zu werden. Für Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeiter dürfte Deutschland eine verlängerte Umsetzungsfrist bis Ende 2023 vorsehen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Kommunen sind nach wohl herrschender Meinung schon jetzt verpflichtet, ein Hinweisgebersystem vorzuhalten. Für diese Adressaten gelten die Bestimmungen der EU-Richtlinie bereits jetzt unmittelbar.

(Quelle: Heuking Kühn Lüer Wojtek, Update Compliance Nr. 1. vom 10. Februar 2022)