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EU-Lieferketten-Richtlinie von Europaparlament verabschiedet

EU-Lieferketten-Richtlinie sieht bei Verstößen im Gegensatz zum deutschen LkSG zivilrechtliche Haftung der Unternehmen vor

Am vergangenen Mittwoch (24. April) gab das EU-Parlament endgültig grünes Licht für neue Vorschriften, die Unternehmen dazu verpflichten, gegen negative Folgen ihrer Tätigkeit für Menschenrechte und Umwelt vorzugehen.

Mit 374 zu 235 Stimmen bei 19 Enthaltungen verabschiedeten die Abgeordneten die neue Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD), auf die sich Parlament und Rat zuvor geeinigt hatten Die neuen Regeln verpflichten Unternehmen sowie ihre vor- und nachgelagerten Partner – darunter Zulieferer und Partner in den Bereichen Herstellung und Vertrieb –, negativen Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt vorzubeugen, sie abzumildern oder zu beheben. Das betrifft unter anderem Sklaverei, Kinderarbeit, Ausbeutung von Arbeitskräften, Artenschwund, Umweltverschmutzung und die Zerstörung von Naturerbe.

Unmittelbar erfasste Unternehmen und zentrale Pflichten

Im Vergleich zu vorhergehenden Richtlinien-Entwürfen wurden die Schwellenwerte für Unternehmen, die in den Anwendungsbereich fallen, angehoben, indem die Zahl der Beschäftigten von 500 auf 1.000 und der Nettoumsatz von 150 Mio. Euro auf 450 Mio. Euro erhöht wurde (weltweiter Nettoumsatz für EU-Unternehmen / in der EU erzielter Nettoumsatz für Nicht-EU-Unternehmen).

Im Unterschied zur Lieferkette nach dem deutschen LkSG bezieht sich die CSDDD auf die sog. Aktivitätskette (chain of activities), die alle vorgelagerten unmittelbaren und mittelbaren Zulieferer (upstream) sowie auch beschränkte nachgelagerte Tätigkeiten erfasst (downstream). Unternehmen müssen nach der CSDDD – anders als nach dem deutschen LkSG – auch bezüglich der mittelbaren Zulieferer anlassunabhängig tätig werden. Das heißt, dass mittelbare Zulieferer von Beginn an etwa in der Risikoanalyse und bei Präventionsmaßnahmen berücksichtigt werden müssen.

Neben lieferkettenbezogenen Sorgfaltspflichten sieht die CSDDD vor, dass Unternehmen einen Übergangsplan (transition plan) für die Eindämmung des Klimawandels entwerfen und umsetzen müssen, um das 1,5°C Ziel des Pariser Klimaabkommens bestmöglich umzusetzen.

Zivilrechtliche Haftung nach der CSDDD

Bei Verstößen können Unternehmen durch umsatzbezogene Bußgelder sanktioniert werden. Aus deutscher Sicht ist die neu einzuführende zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für Verletzungen ihrer Sorgfaltspflichten besonders hervorzuheben.

Im Gegensatz zum deutschen LkSG hat sich die zivilrechtliche Haftungsklausel auch in der nun verabschiedeten EU-Richtlinie durchgesetzt. Unternehmen haften künftig für Schäden, die auf der vorsätzlichen oder fahrlässigen Nichteinhaltung der Verpflichtungen aus der CSDDD beruhen. Dies betrifft sowohl Präventions-, als auch Abhilfemaßnahmen zu identifizierten Risiken oder Verletzungen.

Anspruchsinhaber kann jede natürliche oder juristische Person sein. Voraussetzung für eine zivilrechtliche Haftung des Unternehmens nach der CSDDD ist in jedem Fall der Eintritt eines Schadens an einem nach innerstaatlichem Recht geschützten Rechtsgut, also etwa der Gesundheit. Dabei müssen die Mitgliedstaaten durch die Umsetzung im nationalen Recht sicherstellen, dass Unternehmen auch dann haften, wenn der Schaden in einem Drittland eingetreten ist, dessen Recht grundsätzlich vorrangig anwendbar wäre.

Der Schaden muss weiterhin durch den jeweiligen Verstoß des Unternehmens verursacht worden sein. Gerade das Kausalitätserfordernis könnte zu einer Begrenzung möglicher Schadensersatzforderungen beitragen, da Unternehmen nicht für Schäden haften sollen, die allein durch einen Geschäftspartner in der Aktivitätskette verursacht wurden. Eine Beweislastumkehr schreibt die CSDDD nicht vor. Hier wird es entscheidend auf die Umsetzung des deutschen Gesetzgebers und die Handhabung der Gerichte ankommen.

Der Höhe nach soll der Schadensersatzanspruch auf eine vollständige Kompensation gerichtet, aber auch beschränkt sein: Eine Überkompensation durch Gewährung eines sog. Strafschadensersatzes (punitive damages) ist nicht vorgesehen.

Gesamtschuldnerische Haftung von Geschäftspartnern

Durch die unionsrechtliche Regelung soll sichergestellt werden, dass jeder (Mit-)Verantwortliche innerhalb der Wertschöpfungskette haftbar gemacht werden kann. Die Haftung des schadensersatzpflichtigen Unternehmens führt deshalb nicht dazu, dass Geschäftspartner ihrerseits nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden können. Vielmehr können Tochtergesellschaften oder direkte und indirekte Geschäftspartner in der chain of activities gesamtschuldnerisch haften.

Umfangreiche prozessuale Erleichterungen

Die letzten Verhandlungen zur CSDDD führten zwar einerseits zur Abschwächung der vorgesehenen unternehmerischen Haftung. Andererseits wurden Vorschriften eingeführt, die die gerichtliche Durchsetzung eines etwaigen Anspruchs vereinfachen sollen: Die CSDDD sieht ein sog. Disclosure-Verfahren vor, bei dem das Gericht die Offenlegung bestimmter Beweismittel durch das betroffene Unternehmen anordnen kann. Außerdem können – wie nach dem deutschen LkSG – Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen (NGO) von mutmaßlich Geschädigten ermächtigt werden, für diese Klage zu erheben.

Die CSDDD wird nach dem derzeitigen Stand nicht in den Kanon der EU-Normen aufgenommen, die mit der Verbandsklage zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher durchgesetzt werden können. Da sich der deutsche Gesetzgeber dagegen entschieden hat, in Umsetzung der Verbandsklagerichtlinie eine Beschränkung auf bestimmte Rechtsnormen aufzunehmen, könnten ggfs. klageberechtigte Verbände auch ohne konkrete Autorisierung durch einzelne Betroffene versuchen, zivilrechtliche Ansprüche wegen Verletzung der CSDDD im Wege der sog. Abhilfeklage durchzusetzen.

Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben darauf achten, dass nationale Regelungen nicht zu einer unangemessenen Behinderung der Durchsetzung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs führen. Daher muss etwa die Verjährungsfrist für die Erhebung einer Klage auf Schadensersatz mindestens fünf Jahre betragen und darf keinesfalls kürzer sein als die Verjährungsfrist für die allgemeine zivilrechtliche Haftung. Zudem muss bei der nationalen Umsetzung sichergestellt werden, dass die Kläger auch Unterlassungsmaßnahmen, vor allem im Eilrechtsschutz, verlangen können.

Nächste Schritte

Die EU-Richtlinie muss nun noch vom Rat endgültig gebilligt werden – was nur noch als reine Formsache gilt –, bevor sie unterzeichnet und im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden kann. Sie tritt 20 Tage nach der Veröffentlichung in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben anschließend zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzusetzen.

Die neuen Vorschriften (mit Ausnahme der Kommunikationspflichten) werden stufenweise eingeführt:

  • Ab 2027 gelten sie für Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und über 1,5 Mrd. Euro Umsatz.
  • Ab 2028 gelten sie auch für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und einem Umsatz von über 900 Mio. Euro.
  • Ab 2029 gelten sie schließlich für alle Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen (mehr als 1.000 Beschäftigte, über 450 Mio. Euro Umsatz).

Ausblick

Aufgrund der CSDDD wird das deutsche LkSG entsprechend angepasst werden müssen. Neben der Einführung der beschriebenen Haftungsregelungen ist zu erwarten, dass die LkSG-Sorgfaltspflichten entsprechend der ausführlichen Vorgaben der CSDDD weiterentwickelt und ausdifferenziert werden.

Um regulatorische Risiken zu minimieren und einen zivilrechtlichen Haftungsfall zu vermeiden, sollten bereits verpflichtete Unternehmen die implementierten Sorgfaltsprozesse überarbeiten und anpassen. Im dichter werdenden ESG-Regelungsgeflecht von CSDDD, Entwaldungs-VO, dem ebenfalls verabschiedeten Importverbot für Waren aus Zwangsarbeit und CSRD sind klare, konsistente und verknüpfte Compliance- und Berichtsprozesse von zentraler Bedeutung für eine robuste ESG-Compliance in den betroffenen Unternehmen.

FDP fordert Aussetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes bis zum Inkrafttreten der EU-Richtlinie

In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass das FDP-Papier zur „Wirtschaftswende“ unter anderem folgende Forderung enthält:

Aussetzung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes: Das nationale Lieferkettengesetz soll ausgesetzt werden, bis die EU-Lieferkettenrichtlinie in Kraft tritt. Bei der Umsetzung der Europäischen Richtlinie sollen alle Spielräume genutzt werden, um unverhältnismäßige und praxisferne Belastungen für die Wirtschaft zu verhindern.

Entschließung des Bundesrats zum Abbau von Bürokratielasten für den Mittelstand

Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung am vergangenen Freitag (26. April) die Entschließung „Bürokratielasten für den Mittelstand abbauen“ (BR-Ds. 10/24) angenommen. Darin stellt der Bundesrat u. a. fest, „dass nicht-kapitalmarkt- orientierten KMU weder durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz noch durch die am 5. Januar 2023 auf EU-Ebene in Kraft getretene CSRD-Richtlinie Berichtspflichten auferlegt werden. Zur Erfüllung ihrer Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ist zu erwarten, dass berichtspflichtige Großunternehmen Berichtsanforderungen an zuliefernde KMU stellen. Der Gesetzgeber ist deshalb gefordert, die Berichtsanforderungen an nicht-kapitalmarktorientierte KMU sachgerecht zu begrenzen. Es ist zu prüfen, ob im Rahmen eines vereinfachten Berichts, denkbar wäre zum Beispiel eine standardisierte Mitteilung, die grundlegenden Berichtsanforderungen erfüllt werden können. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die wirtschaftliche Einbindung von KMU häufig auf inländische oder Europäische Lieferketten beschränkt. Zudem gelten in Deutschland und in der EU hohe Standards im Hinblick auf Menschen- und Arbeitnehmerrechte sowie Arbeits- und Umweltschutz. Klargestellt werden soll ebenfalls, dass für die berichtspflichtigen Unternehmen keine gesetzliche Pflicht zum Ausfüllen des BAFA-Fragebogens besteht. Eine weitgehende Harmonisierung der Berichtspflichten nach dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und der Europäischen CSRD-Richtlinie ist anzustreben, um eine unnötige Doppelbelastung der berichtspflichtigen Unternehmen zu vermeiden. Geprüft werden soll zudem die Erstellung von „White-Lists“ zu Ländern/ Regionen, Branchen und/oder Produkten, die von Unternehmen für ihre Risikoanalyse und das Risikomanagement herangezogen werden und zu einer Reduzierung des Prüfungsumfanges beitragen können.“

Hierzu müssen die weiteren politischen Entwicklungen abgewartet werden.

(Quellen: EU-Parlament, Pressemitteilung vom 24. April 2024; Legal Tribune Online Daily vom 24. April 2024; HoganLovells, Newsletter vom 24. April 2024; Bundesrats-Drucksache 10/24 vom 26. April 2024)