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11. GWB-Novelle verabschiedet

Bundestag hat 11. GWB-Novelle verabschiedet

Am 6. Juli 2023 hat der Bundestag die 11. GWB-Novelle verabschiedet. Mit ihr erhält das Bundeskartellamt zusätzliche Kompetenzen. Unter anderem soll das kartellbehördliche Instrument der Sektoruntersuchung umgestaltet und ausgeweitet werden. So soll etwa das Bundeskartellamt auf Basis einer Sektoruntersuchung unabhängig von klassisch kartellrechtswidrigem Verhalten Maßnahmen gegen Unternehmen einleiten können, sofern auf bestimmten Märkten eine erhebliche und fortwährende Störung des Wettbewerbs festgestellt wird. Gegebenenfalls soll die Wettbewerbsstörung gar Ausgangspunkt einer eigentumsrechtlichen Entflechtung sein können. Ein rechtswidriges Verhalten des Unternehmens ist dafür nicht Voraussetzung. Das Gesetz enthält zudem eine Beweiserleichterung für das Bundeskartellamt in Zusammenhang mit der Vorteilsabschöpfung bei Kartellverstößen (§ 34 Abs. 4 GWB) und die Möglichkeit des Bundeskartellamts, die EU-Kommission bei der Durchsetzung des Digital Markets Act (DMA) durch eigene Ermittlungen zu unterstützen.

Mit den einschneidenden Änderungen am Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) beschreiten die Regierungsfraktionen einen ungewissen Sonderweg außerhalb der EU-Vorgaben. In Deutschland aktive Unternehmen müssen künftig selbst dann mit gravierenden Eingriffen des Bundeskartellamts wie Verhaltensvorgaben und Preisfestsetzungen rechnen, wenn sie sich völlig rechtmäßig verhalten. Das GWB verstärkt neben dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und den zunehmenden Investitionsprüfungen die Tendenz, rechtlich korrektes Verhalten von Unternehmen als mögliche „Hochrisiko-Aktivität“ einzustufen. Davon können gerade auch für die Klimatransformation oder die Digitalisierung relevante Märkte betroffen sein.

In einer Marktwirtschaft ist aber nicht der Staat entscheidender Garant gegen hohe Preise, sondern insbesondere ein funktionierender Wettbewerb selbst. Leider entfernt sich das neue GWB nun von diesem Ziel. Denn es setzt hiesige Unternehmen und Investoren aus Drittstaaten einem weiteren Standortrisiko aus.

Daran ändern auch die beschlossenen Änderungen am Regierungsentwurf wenig. Das Bundeskartellamt kann nun sogar ohne großen Aufwand auf die Anwendung des bisherigen Wettbewerbsrechts verzichten. Es gibt zwar Fortschritte, etwa die geplante Anbindung der „Störung des Wettbewerbs“ an das Verhalten der Unternehmen und deren Bedeutung für die Marktstruktur. Die Gesetzesformulierungen bleiben aber leider zu unbestimmt. Weitere neue Anpassungen, wie die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen, sind eher selbstverständlich angesichts möglicher schwerer Eingriffe in rechtmäßig handelnde Unternehmen. Insgesamt fehlen der Novelle damit rechtssichere Vorgaben. Gravierende europarechtliche Zweifel bestehen fort.

Mit der schon angekündigten 12. GWB-Novelle zu Nachhaltigkeits- und Verbraucherschutzaspekten besteht die Möglichkeit zur Überprüfung der nun erfolgten Neuausrichtung des Wettbewerbsrechts. Diese muss dringend genutzt werden.

Den vom Bundestag beschlossenen Gesetzestext der 11. GWB-Novelle, der der Beschlussempfehlung des Bundestags-Wirtschaftsausschusses entspricht, finden Sie bei Interesse hier.

Die abschließende Befassung des Bundesrats mit der 11. GWB-Novelle steht noch aus. Sie wird voraussichtlich erst nach der Sommerpause Ende September stattfinden.

(Quelle: DIHK-InfoRecht, 6-7/23)