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25 Jahre EMB

Im vergangenen Jahr konnte der Verein EMB-Wertemanagement Bau e. V. sein 25-jähriges Gründungsjubiläum feiern.

Für die ID-Redaktion des Bayerischen Bauindustrieverbandes ein willkommener Anlass, mit dem amtierenden EMB-Vorsitzenden, Herrn Dipl.-Kfm.  Andreas Höttler, über aktuelle Entwicklungen in den Bereichen Compliance und Wertemanagement zu sprechen und ihn um eine aktuelle Bestandsaufnahme zum Trägerverein EMB-Wertemanagement Bau zu bitten.

ID: Herr Höttler, der Verein EMB-Wertemanagement Bau e.V. konnte im vergangenen Jahr bereits sein 25-jähriges Gründungsjubiläum feiern. Wie sieht Ihre aktuelle Bestandsaufnahme zu dieser bisher einzigartigen Brancheninitiative aus?
Andreas Höttler: Am 2. Mai 1996 haben sich zehn Chefs und Führungskräfte einiger maßgeblicher Mitgliedsfirmen des Bayerischen Bauindustrieverbandes entschlossen, diese Initiative ins Leben zu rufen. Diese Gründungsmitglieder wollten sich nicht länger damit abfinden, dass einige wenige schwarze Schafe eine ganze Branche mit vielen tausend Akteuren in Misskredit gebracht haben. Hiermit sollte ein deutliches Zeichen insbesondere gegen Kartellabsprachen und oftmals damit in Zusammenhang stehende Strafdelikte gesetzt werden. Die Gründungsväter wollten auch – von den damals zwei führenden Wirtschaftsethikprofessoren Professor Dr. Dr. Karl Homann und Professor Dr. Josef Wieland wissenschaftlich beraten – ganz neue Wege gehen und mit dem EMB-Wertemanagement Bau ein vor allem wertebasiertes Compliance Management System für den Baubereich ins Leben rufen.


Wie viele Mitglieder zählt denn der EMB-Trägerverein mittlerweile?
Aktuell hat unser EMB-Verein deutschlandweit 215 Mitglieder – Tendenz kontinuierlich steigend. Aus einer anfänglich bayerischen Gründungsinitiative ist seit geraumer Zeit eine Initiative für die gesamte deutsche Bauindustrie geworden. Dazu hat sicherlich auch beigetragen, dass der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie im Frühjahr 2007 das EMB-Wertemanagement Bau zu einem Anliegen der Bauindustrie in ganz Deutschland erklärt hat und eine Mitgliedschaft in dem EMB-Trägerverein empfiehlt.


Laut aktueller Statistik gibt es in Deutschland rund 79.300 Bauunternehmen. Ist da die von Ihnen genannte Zahl von aktuell 215 EMB-Mitgliedern nicht doch eher klein?
Nein, unsere Zielgruppe ist viel kleiner, nämlich rund 400 Bauunternehmen. Der Großteil der 79.300 Bauunternehmen, nämlich 70.000 davon, das sind 88 %, hat höchstens 19 Mitarbeiter. Weitere rund 6.700 Bauunternehmen haben zwar mehr als 20, aber doch nur höchstens 49 Mitarbeiter. Rund 76.700 kleine Bauunternehmen sind überhaupt nicht im Fokus unseres für diesen Firmenkreis wohl zu anspruchsvollen EMB-Systems. Nur rund 2.500 Bauunternehmen weisen eine Mitarbeiterzahl zwischen 50 und 199 auf und lediglich 285 Baufirmen in Deutschland beschäftigen mehr als 200 Mitarbeiter. Mit unserem EMB-Wertemanagement Bau wollen wir vor allem den Kreis dieser 285 Bauunternehmen – und gerne auch eine stattliche Zahl von Unternehmen aus der darunterliegenden Kategorie von 50 bis 199 Mitarbeitern erreichen. 


Haben Sie sich denn eine Zielmarke für die Zahl Ihrer EMB-Mitglieder vorgenommen?
Lassen Sie mich das so ausdrücken: Wir wollen die deutsche Bauindustrie mit unserem EMB-System so durchdringen, dass unser Konzept eines wertebasierten Compliance Management Systems im Baubereich hier schlichtweg die Benchmark ist. Also wollen wir natürlich, dass unser EMB allein von seiner Mitgliederzahl her so stark wird, dass man in der politischen Diskussion zur Einführung von werteorientierten Compliance Management Systemen in Deutschland an unserer Initiative nicht vorbeikommt. Nach einer Äußerung von BBIV-Ehrenpräsident Prof. Dr.-Ing. E.h. Thomas Bauer wäre diese erforderliche Durchdringung der deutschen Bauindustrie mit unserem EMB-System bei einer Mitgliederzahl von ca. 300 bis 400 großen und mittelständischen Bauunternehmen erreicht. Das soll erst einmal unsere Zielmarke sein und da liegen wir mit unserer jetzigen Mitgliederzahl schon recht gut.


Herr Höttler, lassen Sie uns zur Bedeutung von Compliance Management und Wertemanagement in Unternehmen kommen, zwei nicht auf Anhieb verständliche Begriffe. Was versteht man denn darunter?
Ich fange einmal mit dem weiter verbreiteten Begriff der Compliance an. Hier geht es um die Einhaltung von externen und internen Regeln, also Gesetze, Verordnungen, Verhaltenskodizes, Unternehmensrichtlinien oder auch Verfahrensanweisungen. Mit Compliance Management sind die organisatorischen und prozessualen Maßnahmen gemeint, die ein Unternehmen vorhält, um die Regeleinhaltung sicherzustellen. Compliance Management ist der Mechanismus, mit dem sich das Unternehmen selbst befähigt, seine Geschäfte legal und integer zu betreiben – auch in risikogeneigten Bereichen. Und nun zum Wertemanagement. Dieses betrifft die unternehmensinterne Gestaltung von Ziel- und Wertekonflikten ganz allgemein, also nicht nur hinsichtlich juristischer Fragestellungen. Mit der Etablierung von Werten, wie z.B. Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Fairness, Vertragstreue u. ä., drückt ein Unternehmen aus, wofür es steht, wie es Geschäfte betreiben möchte, was ihm wichtig ist und wie der Umgang im Unternehmen sowie mit externen Partnern aussehen soll.


Und in welchem Verhältnis stehen Compliance Management und Wertemanagement?
Compliance Management und Wertemanagement dürfen keinesfalls synonym verstanden werden. Wichtig ist zu erkennen, dass diese beiden Managementansätze 
nebeneinander stehen. Nach international wie auch mittlerweile national anerkannten Standards sollen Compliance Management und Wertemanagement zu einem ganzheitlichen Integritätsmanagement zusammengeführt werden. Denn, wenn Führungskräfte und Mitarbeiter einsehen, wa-rum sie Compliance Management unterstützen sollen, und die Sinnhaftigkeit von Präventionsmaßnahmen bezogen auf Korruption, Absprachen, Menschenrechtsverletzungen, Umweltdelikte etc. erkennen, dann spart das Kontrollkosten, und die Wahrscheinlichkeit von Fehlverhalten sinkt automatisch. Bei der Frage nach der Wirksamkeit von Compliance Management Systemen wird zunehmend klar, dass nur ein solcher wertebasierter Ansatz erfolgreich sein kann. 


Das ist ja wirklich ein sehr überzeugender Ansatz von guter Unternehmensführung. Können Sie das noch weiter erläutern?
Sehr gern. Das Konzept eines ganzheitlichen Integritätsmanagements verfolgt das Ziel eines wertegeleiteten Handelns für Situationen, in denen klare oder einheitlich auslegbare Regeln fehlen. Ein solcher wertebasierter Ansatz – oder anders ausgedrückt – eine solche wertebasierte Unternehmenskultur fördert eine positive Kundenwahrnehmung, führt zu einer Reputation als ganzheitlich exzellentes Unternehmen und zu einer Wahrnehmung als attraktiver Arbeitgeber. In Zeiten des Fachkräftemangels und der schwierigen Nachwuchsgewinnung gerade auch in der Baubranche kommt letzterem Aspekt immer größere Bedeutung zu.
Das klingt sehr überzeugend. Wie werden denn nun diese Grundsätze im Rahmen des EMB-Wertemanagement Bau konkret umgesetzt?
Wir verfolgen nicht nur eine Compliance-Strategie, sondern ein umfassendes wertebasiertes Managementkonzept. Damit ist unser EMB ein Instrument, um nach 
außen und nach innen zu signalisieren – und das auch zu dokumentieren –, dass sich das Unternehmen gegenüber allen am Bauprozess Beteiligten rechtstreu, integer und fair verhalten will. Das EMB-Mitgliedsunternehmen verpflichtet sich, entsprechende Anstrengungen zu unternehmen, um dies auch zu erreichen.


Was bedeutet das?
Nach der Vereinssatzung muss das EMB-Mitglied vier Mindeststandards erfüllen:

  1. Kodifizierung: In einer Grundwerteerklärung, einem Ethikkodex, einem Unternehmensleitbild oder einem sonst gleichwertigen Dokument werden Grundwerte des Unternehmens schriftlich festgelegt. Darin wird zum Ausdruck gebracht, wie man die Geschäftspraxis grundsätzlich gestalten möchte.
  2. Implementierung: Eine solche Grundwerteerklärung wird durch unternehmensspezifische Verhaltensstandards u.a. zu den Bereichen Rechtstreue und Integrität, zur Ablehnung wettbewerbsbeschränkender Absprachen, zum Umgang mit Auftraggebern, der Verteilung oder Annahme von Geschenken konkretisiert und in die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter des EMB-Mitgliedsunternehmens verbindlich integriert. Dies wird mit entsprechenden firmeninternen Informationen und Schulungsmaßnahmen verbunden.
  3. Kontrolle: Das EMB-Mitgliedsunternehmen verpflichtet sich, die Umsetzung der Grundwerteerklärung und der Verhaltensstandards im Geschäftsalltag in einem turnusmäßig durchgeführten externen Auditverfahren überprüfen zu lassen. Im positiven Fall erhält das Unternehmen eine zeitlich befristete Auditurkunde, die als Nachweis einer erfolgreichen Implementierung der sich aus der Grundwerteerklärung und den Verhaltensstandards ergebenden Selbstverpflichtung im Unternehmen dient.
  4. Organisation: Der Firmeninhaber oder die Geschäftsleitung haben Vorbildfunktion und tragen die Verantwortung für das Wertemanagementsystem und dessen umfassende und ernsthafte Umsetzung im Unternehmen – neudeutsch „Tone from the Top“.

Das klingt sehr durchdacht. Findet denn Ihr EMB-System auch von außen gesehen entsprechende Anerkennung?
Danke für diese Nachfrage. Natürlich weise ich hier gerne darauf hin, dass unser EMB-Wertemanagement Bau mittlerweile hohe Akzeptanz und Anerkennung bei Politik, Verwaltung, Rechtsprechung, Bauherren und Fachkreisen findet. So liegen uns entsprechende Anerkennungsschreiben von Siemens, dem Frankfurter und dem Münchner Flughafen, der Deutschen Bahn, seitens des Lebensmitteldiscounters Lidl wie auch von der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg bezüglich des dort existierenden Wettbewerbsregisters vor.


Sehr beeindruckend. Dürfen wir Sie abschließend um einen kurzen Ausblick bitten?
Sehr gern. Gerade die aktuellen Aktivitäten des Gesetzgebers unterstreichen die Vorteile unseres Systems. Seien es nun die neuen Bußgeldvorschriften im deutschen Kartellrecht, das neue bundesweite, beim Bundeskartellamt eingerichtete Wettbewerbsregister, das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder die anstehende Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie in deutsches Recht. Auditierte EMB-Mitglieder sind hier mit Blick auf die gesetzlich geforderten Präventionsmaßnahmen und in diesem Zusammenhang zu erbringenden Nachweise bereits bestens aufgestellt. Dabei muss kein Unternehmen, das sich unserem Verein anschließt, übermäßigen Bürokratismus oder hohe finanzielle Aufwendungen fürchten. Denn über allem steht der Grundsatz: Nur so viel Vorgaben wie nötig und so viel Freiheit wie möglich. Auch ich als EMB-Vorsitzender werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass dieser Grundsatz weiter hochgehalten wird!

Zum Artikel im ID-Magazin: Link