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Auswertung des Koalitionsvertrags der Ampelkoalition unter dem Gesichtspunkt von Compliance und unternehmerischer Werteorientierung

Ampel-Koalitionsvertrag enthält zahlreiche Compliance- wie auch unternehmenskulturell relevante Aussagen

Der gestern von den Ampelkoalitionären SPD, Bündnis 90/Die GRÜNEN und FDP vorgestellte Koalitionsvertrag enthält unter dem Gesichtspunkt von Compliance und unternehmerischer Werteorientierung nachfolgende relevanten Passagen:

Textziffer 229:
Wir werden den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit wirksamer ausgestalten.

(Anmerkung: Seit Aufnahme des § 108 e StGB Abgeordnetenbestechung und Abgeordnetenbestechlichkeit in das Strafgesetzbuch wird dieser Straftatbestand in juristischen Fachkreisen wegen seiner praktischen Anwendungsprobleme heftig kritisiert.)

Textziffer 232:
Parteiensponsoring werden wir ab einer Bagatellgrenze veröffentlichungspflichtig machen. Die Pflicht zur sofortigen Veröffentlichung von Zuwendungen an Parteien wird auf 35.000 € herabgesetzt. Spenden und Mitgliedsbeiträge, die in der Summe 7.500 € pro Jahr überschreiten, werden im Rechenschaftsbericht veröffentlichungspflichtig. Wir schützen die Integrität des politischen Wettbewerbs vor einer Beeinträchtigung durch verdeckte Wahlkampffinanzierung mittels sog. Parallelaktionen.

Textziffer 941:
Fairer Wettbewerb
Wir verbessern die Rahmenbedingungen für fairen Wettbewerb. Diese müssen auch den Erfordernissen des Mittelstands Rechnung tragen und die Aspekte Innovation, Nachhaltigkeit, Verbraucherschutz und soziale Gerechtigkeit integrieren. Wir werden das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) evaluieren und weiterentwickeln. Wir werden prüfen, wie das Bundeskartellamt gestärkt werden kann, um bei erheblichen, dauerhaften und wiederholten Verstößen gegen Normen des wirtschaftlichen Verbraucherrechts analog zu Verstößen gegen das GWB Verstöße zu ermitteln und diese abzustellen.

Textziffer 1023:
Vergaberecht
Wir wollen die öffentlichen Vergabeverfahren vereinfachen, professionalisieren, digitalisieren und beschleunigen. Die Bundesregierung wird die öffentliche Beschaffung und Vergabe wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausrichten und die Verbindlichkeit stärken, ohne dabei die Rechtssicherheit von Vergabeentscheidungen zu gefährden oder die Zugangshürden für den Mittelstand zu erhöhen. Wir werden die bestehenden Anforderungen entsprechend des europäischen Vergaberechts im nationalen Vergaberecht präzisieren. Die öffentliche Hand soll sich am Aufbau eines Systems zur Berechnung von Klima- und Umweltkosten beteiligen. Wir wollen die rechtssichere Digitalisierung in diesem Bereich vorantreiben und dazu eine anwenderfreundliche zentrale Plattform schaffen, über die alle öffentlichen Vergaben zugänglich sind und die eine Präqualifizierung der Unternehmen ermöglicht. Wir wollen schnelle Entscheidungen bei Vergabeverfahren der öffentlichen Hand fördern und unterstützen dabei Länder und Kunden bei der Vereinfachung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Textziffer 1049:
Wir unterstützen ein wirksames EU-Lieferkettengesetz, basierend auf den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte, das kleinere und mittlere Unternehmen nicht überfordert. Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten wird unverändert umgesetzt und gegebenenfalls verbessert. Wir unterstützen den Vorschlag der EU-Kommission zum Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten. Wir unterstützen das von der EU vorgeschlagene Importverbot von Produkten aus Zwangsarbeit.

Textziffer 1124:
Die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDG) sind Richtschnur unserer Politik. Damit schützen wir die Freiheit um Chancen jetziger und kommender Generationen. Wir werden die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie und das Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit weiterentwickeln und die Governance-Strukturen überprüfen. Wir erhöhen die Verbindlichkeit von Nachhaltigkeitsstrategien, -zielen und -programmen im konkreten Regierungshandeln und bei der Erstellung von Gesetzen und stärken parlamentarische Beteiligungsrechte. Die öffentliche Hand geht bei ihrer Beschaffung mit gutem Beispiel voran.

Textziffer 3549:
Das Strafrecht ist immer nur Ultima Ratio. Unsere Kriminalpolitik orientiert sich an Evidenz und der Evaluation bisheriger Gesetzgebung im Austausch mit Wissenschaft und Praxis. Wir überprüfen das Strafrecht systematisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche und legen einen Fokus auf historisch überholte Straftatbestände, die Modernisierung des Strafrechts und die schnelle Entlastung der Justiz. Das Sanktionensystem einschließlich Ersatzfreiheitsstrafen, Maßregelvollzug und Bewährungsauflagen überarbeiten wir mit dem Ziel von Prävention und Resozialisierung.

Textziffer 3722:
Unternehmensrecht
Wir schützen ehrliche Unternehmen vor rechtsuntreuen Mitbewerberinnen und Mitbewerbern. Wir überarbeiten die Vorschriften der Unternehmenssanktionen einschließlich der Sanktionshöhe, um die Rechtssicherheit von Unternehmen im Hinblick auf Compliance-Pflichten zu verbessern und für interne Untersuchungen einen präzisen Rechtsrahmen zu schaffen.

Textziffer 3728:
Wir setzen die EU-Whistleblower-Richtlinie rechtssicher und praktikabel um. Whistleblowerinnen und Whistleblower müssen nicht nur bei der Meldung von Verstößen gegen EU-Recht vor rechtlichen Nachteilen geschützt sein, sondern auch von erheblichen Verstößen gegen Vorschriften oder sonstigem erheblichen Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen wegen Repressalien gegen den Schädiger wollen wir verbessern und prüfen dafür Beratungs- und finanzielle Unterstützungsangebote.

Textziffer 4934:
Menschenrechte
Menschenrechtspolitik umfasst alle Aspekte staatlichen Handelns auf internationaler wie auch innenpolitische Ebene. In einem globalen Umfeld, in dem auch von zentralen Akteuren die universelle Gültigkeit der Menschenrechte regelmäßig in Frage gestellt wird, wollen wir sie gemeinsam mit unseren Partnern verteidigen und für sie werben.

Textziffer 4980:
Basierend auf den VN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte setzen wir uns für einen europäischen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte ein. Wir werden den nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte im Einklang mit dem Lieferkettengesetz überarbeiten.

Textziffer 5790:
Geldwäsche
Um Geldwäsche effektiv zu bekämpfen, braucht es eine zwischen Bund, Ländern und EU abgestimmte Strategie. Hierbei sind auch die Zuständigkeiten zu überprüfen. Mögliche Empfehlungen aus der FATF-Deutschland Prüfung werden wir wohl nötig zügigen deutsches Recht umsetzen. Bei besonders finanzmarktnahen Verpflichteten wird die Geldwäscheaufsicht auf die BaFin übertragen. Für die laufende Bewertung und Verbesserung der Effektivität der Geldwäschebekämpfung in Deutschland soll die notwendige Information-und Erkenntnisgrundlage aufgebaut werden. Die Geldwäsche-Meldungen aus dem Nicht-Finanzbereich, wie z.B. dem Immobiliensektor, wollen wir erleichtern und im Vollzug deutlich erhöhen. Wir wollen die illegale Finanzierung von Immobilien durch geeignete Maßnahmen bekämpfen. Dazu gehört der Versteuerungsnachweis für gewerbliche Immobilien Käufer aus dem Ausland sowie ein Verbot des Erwerbs von Immobilien mit Bargeld. Wir werden uns auf EU-Ebene dafür einsetzen, die zentralen Geldwäschevorschriften in eine Verordnung zu überführen. Ziel ist es, den Kampf gegen Geldwäsche europaweit effektiver zu gestalten und noch bestehende Lücken zu schließen. Wir sind für eine effektive und unabhängige EU-Geldwäschebehörde die von der europäischen Kommission vorgeschlagen und setzten uns für deren Sitz in Frankfurt am Main ein. Die EU-Aufsichtsbehörde soll sich nicht nur um den klassischen Finanzsektor kümmern, sondern auch den Missbrauch von Kryptowährungen für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verhindern. Die FIU muss die notwendigen rechtsstaatlich abgesicherten Befugnisse bekommen sowie den Zugang zu allen nötigen Informationen. Wir werden Verbindungsbeamte aus den Landeskriminalämtern in der FIU einsetzen. Wir wollen den risikobasierten Ansatz weiter verbessern. Wir wollen die Qualität der Meldungen verbessern, indem die Verpflichteten verstärkt Rückmeldung bekommen.

Textziffer 5821:
Wir werden die Qualität der Daten im Transparenzregister verbessern, sodass die wirtschaftlich Berechtigten in allen vorgeschriebenen Fällen tatsächlich ausgewiesen werden. Wir wollen die digitale Verknüpfung mit anderen in Deutschland bestehenden Registern. Wir werden das Datenbank Grundbuch mit dem Transparenzregister verknüpfen, um die Verschleierung der wahren Eigentümer von Immobilien zu beenden. Verknüpfung und Nutzung werden wir datenschutzkonform gestalten.

Bei Interesse können Sie diese ausgewählten Textpassagen wie auch den gesamten Text des Koalitionsvertrags aus dem PDF-Dokument entnehmen.