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BGH verneint Strafbarkeit nach § 299 StGB bei Zahlungen an Anteilseigner oder bei Einverständnis der weiteren Anteilseigner einer AG

BGH: Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) – Keine Strafbarkeit bei Zahlung an Anteilseigner oder bei Einverständnis der weiteren Anteilseigner einer Aktiengesellschaft

Der BGH hat sich mit Beschluss vom 28. Juli 2021 (Az. 1 StR 506/20) zur Strafbarkeit wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr bei Zahlungen an die Anteilseigner einer Aktiengesellschaft oder bei Einverständnis der weiteren Anteilseigner geäußert und hierzu folgende Leitsätze aufgestellt:

(1) Inhaber des Unternehmens im Sinne des § 299 StGB sind bei juristischen Personen die Anteilseigner. (2) Wer einem Angestellten oder Beauftragten einer juristischen Person einen Vorteil für seine Bevorzugung im geschäftlichen Verkehr gewährt, macht sich nicht wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr strafbar, wenn die Anteilseigner mit dieser Zuwendung – vergleichbar den zur Untreue (§ 266 StGB) entwickelten Grundsätzen – einverstanden sind.

Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte war als geschäftsführender Alleingesellschafter einer GmbH weltweit im Holzhandel tätig. Um den Handel zu sichern und gegenüber Mitbewerbern bevorzugt zu werden, zahlte er in den Jahren 2010 bis 2015 auf der Ein- und Verkaufsseite an die Verantwortlichen dreier Lieferanten und eines Abnehmers (in der Buchhaltung als „Provision“ bezeichnete) Gelder. Bei den Lieferanten handelte es sich um Aktiengesellschaften in Form einer Societe Anonyme (SA). Deren Aktionäre waren mit einer Ausnahme jeweils Mitglieder einer Familie, zu denen der Angeklagte nach den gerichtlichen Feststellungen engere Beziehungen pflegte, sowie auch zu den bezahlten Personen selbst. Daneben flossen auf der Abnehmerseite Schmiergelder an die Vertriebsmanagerin eines Unternehmens aus Vietnam.

Das LG Hamburg als Vorinstanz stufte die Zahlungsempfänger als Beauftragte oder Angestellte der jeweiligen Unternehmen im Sinne von § 299 StGB ein und nahm dementsprechend an, dass diese gerade nicht als Unternehmensinhaber anzusehen seien. Dementsprechend verurteilte das LG Hamburg den Ange- klagten unter anderem wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB. Hierzu führte das Gericht aus, dass die Aktiengesellschaft (hier in Form der SA) als juristische Person rechtlich selbstständig sei und nicht mit den für sie handelnden Organen identisch. Deshalb verbiete es sich, die Organe einer Kapitalgesellschaft im Kontext des § 299 StGB als Unternehmensinhaber anzusehen. Ein mögliches Einverständnis sämtlicher Gesellschafter der familiengeführten Unternehmen mit den Provisionszahlungen hielt das LG Hamburg für unerheblich. Die Pflichtwidrigkeit der Handlung sei kein Tatbestandsmerkmal, so dass eine Einwilligung keine rechtfertigende Wirkung entfalten könne.
Der BGH widersprach dieser Argumentation und hob das erstinstanzliche Urteil weitestgehend auf. Die Vorinstanz hätte sich mit der sich aufdrängenden Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass die „Provisionen“ an die Holzlieferanten in deren Stellung als Aktionäre mit jeweiliger Zustimmung der anderen Anteilseigner und nicht als „beauftragte“ Leitungsorgane geleistet worden seien.

Der Unternehmensinhaber sei nach ständiger Rechtsprechung des BGH von dem Gesetzeswortlaut des § 299 StGB nicht umfasst. Unternehmensinhaber bei einer Aktiengesellschaft seien die Aktionäre bzw. die Hauptversammlung, die durch ihre Mehrheitsbeschlüsse die Grundlagenentscheidungen für die juristische Person treffen könnten und in diesem Sinn deren Geschick bestimmten. Die rechtliche Selbstständigkeit der juristischen Person stehe dem nicht entgegen. Der Unternehmensinhaber dürfe innerhalb der Grenzen der Vertragsfreiheit Verträge nach Belieben schließen sowie bestimmte Anbieter bevorzugen und sich dabei auch von unsachlichen Motiven leiten lassen.

Der BGH zog eine Parallele zu der Rechtsprechung bezüglich der Untreuestrafbarkeit (§ 266 StGB) zulasten einer Aktiengesellschaft bzw. einer GmbH. Hier schließe das Einverständnis der Gesamtheit der Gesellschafter die Tatbestandsmäßigkeit einer für die GmbH nachteiligen Handlung aus, sofern nicht die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft gefährdet werde. Der BGH sieht im vorliegenden Fall die naheliegende Möglichkeit, dass sämtliche Anteilsinhaber mit den Schmiergeldzahlungen einverstanden gewesen seien. Dies folgere der BGH insbesondere daraus, dass teilweise die Zahlungen auch direkt an die Familienmitglieder und nicht ausschließlich an den Verantwortlichen der SA geleistet wurden. Zudem spreche die familiäre Verbundenheit der Aktionäre und die jahrelange Kontaktpflege des Angeklagten mit den Familien dafür, dass die jeweils anderen Anteilseigner um die Geldzuwendungen gewusst hätten und damit einverstanden gewesen seien.

Mit dem vorliegenden Beschluss klärt der BGH nunmehr die Frage des Unternehmensinhabers im Sinne des § 299 StGB für den Fall einer Aktiengesellschaft. Daneben erweitert der vorliegende Beschluss die Diskussion um die Frage des Unternehmensinhabers im Sinne des § 299 StGB um den Aspekt des Einverständnisses (weiterer) Anteilseigner. (Quelle: Online-Zeitschrift ComplianceBusiness Ausgabe 4/Dezember 2021)