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Feststellung des Schadens im sog. Drogeriekartell

BGH präzisiert Erfahrungssätze zur Feststellung von Kartellschadensersatz

Im Rahmen eines kartellrechtlichen Schadensersatzprozesses des Insolvenzverwalters für die Drogeriekette Schlecker i. L. gegen mehrere Hersteller von Drogeriemarkenartikeln über mindestens 212,2 Mio. Euro hat der BGH mit Urteil vom 29. November 2022 (Az. KZR 42/20) die klageabweisenden Urteile der 1. und 2. Instanz aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht OLG Frankfurt/Main zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Hierbei hat der BGH entschieden, dass ein kartellrechtswidriger Austausch zwischen Wettbewerbern über geheime Informationen, die das aktuelle oder geplante Preissetzungsverhalten gegenüber einem gemeinsamen Abnehmer zum Gegenstand haben, zugunsten dieses Abnehmers den Erfahrungssatz begründet, dass die danach erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die Wettbewerbsbeschränkung gebildet hätten. Betreffen geheime Informationen aktuelles oder geplantes Preissetzungsverhalten, besteht eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass die an dem Informationsaustausch beteiligten Wettbewerber gemeinsam ein höheres Preisniveau erreichen. Der Annahme dieses Erfahrungssatzes steht nicht entgegen, dass die Wirkungen eines solchen Informationsaustauschs von den Umständen des Einzelfalls (wie etwa den auf dem betreffenden Markt herrschenden Bedingungen, dessen Struktur sowie dem mit dem Informationsaustausch verfolgten Zweck) abhängen. Diese Umstände sind vielmehr im Rahmen der Gesamtwürdigung vom Tatrichter darauf zu überprüfen, ob sich daraus Indizien ergeben, die im konkreten Fall den Erfahrungssatz, dem regelmäßig eine starke Indizwirkung zukommt, bestätigen oder entkräften.

Dieser Erfahrungssatz gilt auch für das Drogeriekartell, soweit der Informationsaustausch Listenpreiserhöhungen und die Verhandlungen über von Schlecker geforderte Rabatte und Sonderbedingungen zum Gegenstand hatte. Das Berufungsgericht hatte zwar einen entsprechenden Erfahrungssatz unterstellt, ihm jedoch rechtsfehlerhaft ein zu geringes Gewicht beigemessen. Seine Annahme, es könne sich keine Überzeugung von einem Schaden Schleckers bilden, beruhte auf einer fehlerhaften Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände und hielt der revisionsgerichtlichen Kontrolle nicht stand.

(Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 172/2022 vom 29. November 2022)