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Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen unzulässiger Privatnutzung eines Firmenfahrzeugs

LAG Mecklenburg-Vorpommern hält Kündigung wegen Privatnutzung von Firmen-Kfz für unwirksam

Ein Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 21. Juni 2022

(Az. 5 Sa 245/21) lässt sich mit folgenden zwei Leitsätzen zusammenfassen:

  1. Hat ein Arbeitgeber in der Vergangenheit die kurzzeitige Nutzung von Firmenfahrzeugen zu privaten Zwecken nach Rücksprache mit dem Vorgesetzten gestattet und nutzt sodann ein Arbeitnehmer das Fahrzeug ohne Erlaubnis mangels Möglichkeit einer Kontaktaufnahme zum Vorgesetzten, kann es vor Ausspruch einer Kündigung erforderlich sein, diese Pflichtverletzung abzumahnen.
  2. Einer Abmahnung bedarf es nur dann nicht, wenn bereits im Voraus erkenn- bar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch der Abmahnung nicht zu erwarten oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 16. Dezember 2021 – 2 AZR 356/21).

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen unerlaubter Privatnutzung eines Firmenfahrzeugs. Der Kläger ist seinem Arbeitgeber, einem Dienstleister für unterschiedliche Transport- bzw. Personenbeförderungen im Hol- und Bringdienst beschäftigt und in dieser Position dem Fuhrparkleiter direkt unterstellt. Ob in der Vergangenheit grundsätzlich ein Verbot der Privatnutzung der Firmenfahrzeuge des Arbeitgebers bestand, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls hatte der Fuhrparkleiter dem Kläger in der Vergangenheit die private Nutzung eines Transporters für den Umzug seiner Schwiegermutter für eine kurze Distanz kostenfrei gestattet. An einem Samstag im Mai 2021 nutzte der Kläger erneut den Betriebstransporter Sprinter seines Arbeitgebers zu privaten Zwecken über eine Strecke von 10 km. Die Schlüssel hatte er sich zuvor aus einer Betriebshalle geholt. Der Fuhrparkleiter war an diesem Tag außer Dienst. Der Kläger stellte den Transporter nach der Fahrt wieder auf dem Betriebsgelände ab, ohne ihn zu bedanken. Am Dienstag darauf ließ sich der Transporter nicht starten und musste repariert werden. Nachdem der Arbeitgeber des Klägers von der unzulässigen Privatnutzung Kenntnis erlangt hatte, kündigte er das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31. August 2021. Nach Auffassung des Arbeitgebers habe der Kläger eine Straftat nach § 248 b StGB begangen, wodurch das Vertrauensverhältnis unwiederbringlich erschüttert sei. Zudem habe er den verbrauchten Kraftstoff nicht ersetzt und habe die Beklagte vorsätzlich geschädigt sowie Haftungsgefahren ausgesetzt.

Das LAG hält sowohl die außerordentliche wie die ordentliche Kündigung für unwirksam. Die private Nutzung eines Dienstfahrzeugs ohne Erlaubnis des Arbeitgebers kann sowohl eine außerordentliche als auch eine ordentliche Kündigung rechtfertigen. Eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung wegen unerlaubter Privatnutzung eines Firmenfahrzeugs setzt eine vorherige Abmahnung voraus, wenn der Arbeitgeber zuvor eine solche Privatnutzung in Einzelfällen unbeanstandet geduldet habe (LAG Köln, Urteil vom 2. November 2009, Az. 5 Sa 625/09). Zwar hat der Kläger seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte der Beklagten durch kurzzeitige Nutzung des Transporters für private Zwecke, ohne zuvor die Zustimmung eines Vorgesetzten einzuholen, verletzt. Doch belastet ihn diese Pflichtverletzung nicht so schwer, dass selbst eine einmalige Hinnahme durch die Beklagte nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Kläger erkennbar – ausgeschlossen ist. Eine Abmahnung ist zuvor erforderlich und auch ausreichend gewesen, um eine künftige Vertragstreue des Klägers zu bewirken (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018, Az. 2 AZR 370/18). Da der Arbeitgeber die kurzzeitige Nutzung von Firmenfahrzeugen zu privaten Zwecken in der Vergangenheit gestattet hatte und es keine eindeutigen anderweitigen Dienstanweisungen gab, war für den Kläger nicht eindeutig und klar erkennbar gewesen, dass die Beklagte eine Nutzung künftig keinesfalls erlauben werde und jede Zuwiderhandlung den Bestand des Arbeitsverhältnisses unmittelbar gefährden würde.

Anmerkung: Die Entscheidung des LAG verdeutlicht, dass bereits die einmalige, ausnahmsweise erfolgte Genehmigung einer privaten Fahrzeugnutzung das Erfordernis einer vorherigen Abmahnung begründen kann. Zudem zeigt sie, wie wichtig die schriftliche Dokumentation eines Nutzungsverbots von Fahrzeugen des Arbeitgebers zu privaten Zwecken ist.

(Quelle: Stück in CCZ 2022, S. 415)