ZUSATZ INFORMATIONEN

Kündigung wegen Behinderung der Ermittlungen der Compliance-Abteilung

Arbeitsgericht Köln hält außerordentliche Kündigung wegen Behinderung interner Ermittlungen der Compliance-Abteilung für rechtmäßig

Ein Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.10.2020 (Az. 9 Ca 1130/20) lässt sich mit folgendem Orientierungssatz zusammenfassen:

Zu der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht für Arbeitnehmer im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen, gehört es auch, interne Ermittlungen durch eine Compliance-Abteilung nicht zu behindern.

Inhalt und Gegenstand der Entscheidung:

Der Kläger war seit dem 1.1.2013 als Servicemeister bei der Beklagten, einem Hersteller von Aufzügen und Fahrtreppen, bei dem regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind, tätig. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 18.2.2020 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich fristgerecht. Nach einer Zurückweisung der Kündigung durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde sprach die Beklagte mit Schreiben vom 23.3.2020, 27.4.2020 und 25.6.2020 weitere außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigungen aus. Sie behauptet, die Kündigungen beruhten zum einen darauf, dass sich der Kläger über mehrere Jahre als Mitglied einer kriminellen Bande vorsätzlich an Betrugshandlungen zulasten der Beklagten beteiligt habe, indem durch Scheinfirmen falsche Rechnungen ihr gegenüber ausgestellt worden seien. Dadurch sei ein Schaden von mindestens 1,2 Mio. Euro verursacht worden. Zum anderen habe der Kläger im Rahmen der Aufklärung dieser Betrugsfälle erheblich auf andere Beschäftigte der Beklagten bzw. potentielle Zeugen eingewirkt, um diese zu vorsätzlich falschen Aussagen zu drängen. Er habe damit seine eigenen Pflichtverletzungen verdecken und die Ermittlungen der Beklagten behindern wollen. So sei der Kläger, nachdem er Kenntnis davon erlangt habe, dass interne Ermittler aus der Konzernzentrale die Niederlassung aufsuchen würden, in der Pause einer Teambesprechung auf die Kollegen zugegangen und habe diese angewiesen, gegenüber den internen Ermittlern der Compliance-Abteilung wahrheitswidrige Angaben zu machen. Der Kläger bestreitet diese Vorwürfe.

Das Arbeitsgericht Köln hat – nach einer Beweisaufnahme – die Kündigungs- schutzklage des Klägers abgewiesen. Die außerordentliche Kündigung vom 18.2.2020, die nicht unverzüglich im Sinne von § 174 BGB zurückgewiesen wurde, sei rechtmäßig. Nach Auffassung des Gerichts stellt das Verhalten des Klägers einen geeigneten wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar (1. Prüfungsstufe). Grundsätzlich bestehe in einem Arbeitsverhältnis die arbeitsvertragliche Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners. Hiervon würde auch die Verpflichtung erfasst, interne Ermittlungen einer Compliance-Abteilung nicht zu behindern. Es liege im berechtigten Interesse des Arbeitgebers, Gesetzesverstöße und Verstöße gegen unternehmensinterne Vorschriften frühzeitig zu erkennen und zu unterbinden. Der Arbeitnehmer sei verpflichtet, sich jeder Einflussnahme auf interne Ermittlungen durch eine Compliance-Abteilung zu enthalten. Insbesondere dürfe der Arbeitnehmer bestehende Aufklärungsbemühungen des Arbeitgebers nicht behindern oder gar den Versuch unternehmen, durch unlauteres Einwirken auf sachliche und persönliche Beweismittel die Feststellung des relevanten Sachverhalts zu beeinträchtigen (sog. Verdunkelung).

Auch erweise sich die fristlose Kündigung im vorliegenden Fall als verhältnis- mäßig (2. Prüfungsstufe). So sei das Vertrauen der Beklagten in die Redlichkeit des Klägers nach dessen Versuch, Einfluss auf die Ermittlungen der Compliance-Abteilung zu nehmen, gänzlich zerstört. Von einem objektiven Standpunkt aus könne nicht länger davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Vertragspflichten aus dem Arbeitsverhältnis in Zukunft korrekt erfüllen wird. Insbesondere bedurfte es auch keiner vorherigen Abmahnung, weil der Kläger von Anfang an damit rechnen musste, dass ein objektiv verständiger Arbeitgeber es nicht auch nur einmal dulden würde, dass ein Arbeitnehmer durch unlauteres Einwirken auf Beweismittel den Erfolg interner Ermittlungen durch die Compliance-Abteilung behindert.

(Quelle: Tiedemann, jurisRR-Compliance 2/2021 Anm. 1)