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Urteil zur Abgrenzung nicht selbstständiger Arbeit zu selbstständiger Tätigkeit

LSG Thüringen bejaht Scheinselbstständigkeit bei offensichtlicher Weisungsbedürftigkeit

Das Landessozialgericht Thüringen hat mit Urteil vom 23. September 2021

(Az. L 3 R 418/19) nachfolgende Leitsätze aufgestellt:

  1. Eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wird als nicht selbst- ständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis definiert. Beschäftigung meint in erster Linie die Abgrenzung zu einer selbstständigen Tätigkeit. Die versicherten Personen werden im Gesetz nicht im Detail definiert, sondern ausgehend vom Normalfall in der Form eines Typus beschrieben.
  2. Der Typus des versicherungspflichtigen Arbeitnehmers ist von einem Arbeitgeber persönlich abhängig. Das Beschäftigungsverhältnis ist dadurch geprägt, dass jemand im Dienste eines anderen eine Leistung in weisungsgebundener, fremdbestimmter Art in persönlicher Abhängigkeit erbringt. Die (vertraglich geschuldete) Leistung ist im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen.
  3. Die selbstständige Tätigkeit wird durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale im Einzelfall überwiegen.
  4. Für Tätigkeiten, die sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses erbracht werden können, gilt der Grundsatz, dass bei untergeordneten, einfachen Arbeiten eher eine Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation anzunehmen ist als bei gehobenen Tätigkeiten.

Der Rechtsstreit betrifft die Abgrenzung von Beschäftigung gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV und selbstständiger Tätigkeit. Es ging um die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen in Höhe von rund 32.000 Euro für den Einsatz von Arbeitskräften von Mai bis November 2010. Ein Bauunternehmer, der eine Eisengießerei betrieb, hatte vier bulgarische Staatsangehörige als selbstständige Subunternehmer eingesetzt. Die Bulgaren waren der deutschen Sprache kaum mächtig und besaßen keine Erfahrung als Eisenflechter. Im Jahr 2010 bestand ein Beschäftigungsverbot für Bulgaren. Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) bewertete die Aufträge als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Noch während des Verwaltungsverfahrens wurde der Bauunternehmer wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (§ 266 a StGB) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt.

Das LSG Thüringen bejaht, wie schon die DRV und das Sozialgericht, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und stützt sich hierbei auf die üblichen allgemeinen Abgrenzungsregeln, wie aus den obenstehenden Leitsätzen ersichtlich.

(Quelle: ibr-online Werkstatt-Beitrag vom 22. März 2022)