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Vorläufige Einigung im sog. Trilogverfahren

EU-Parlament und EU-Rat verständigen sich auf Richtlinie über unternehmerische Sorgfaltspflichten

Die Verhandlungsführer des EU-Parlaments und des Rates der EU haben sich im Rahmen des sog. Trilogverfahrens am 14. Dezember  auf neue Vorschriften verständigt, die die Unternehmen verpflichten, ihre Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt in ihre Managementsysteme einzubeziehen. Ein finaler Text liegt noch nicht vor; technische Details werden noch weiterverhandelt.

Die neue EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten im Bereich der Nachhaltigkeit von Unternehmen (Corporate Sustainability Due Diligence Directive), auf die sich die EU-Mitgesetzgeber nun informell geeinigt haben, verpflichtet Unternehmen, ihre negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt wie Kinderarbeit, Sklaverei, Arbeitsausbeutung, Umweltverschmutzung, Entwaldung, übermäßigen Wasserverbrauch oder Schäden an Ökosystemen zu mindern.

Sie müssen die sog. „Sorgfaltspflicht“ in ihre Richtlinien und Risikomanagementsysteme integrieren, einschließlich Beschreibungen ihres Ansatzes, ihrer Prozesse und ihres Verhaltenskodex. Unternehmen, einschließlich des Finanzsektors, müssen ebenfalls einen Plan verabschieden, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C vereinbar ist.

Erfasste Unternehmen und deren Pflichten

Die Rechtsvorschriften gelten für Unternehmen und Muttergesellschaften in der EU mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von mehr als 150 Mio. Euro. Die Verpflichtungen gelten auch für Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als 40 Mio. Euro, wenn mindestens 20 Mio. Euro in einem der folgenden Sektoren erwirtschaftet werden: Herstellung und Großhandel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen, Land- einschließlich Forstwirtschaft und Fischerei, Herstellung von Nahrungsmitteln und Handel mit landwirtschaftlichen Rohstoffen; Gewinnung und Großhandel mit mineralischen Rohstoffen oder Herstellung verwandter Produkte und Bauwesen. Die Richtlinie gilt auch für Nicht-EU-Unternehmen und Muttergesellschaften mit gleichwertigen Umsätzen in der EU.

Die Unternehmen müssen ihre negativen Auswirkungen und die ihrer vor- und nachgelagerten Partner, einschließlich Produktion, Lieferung, Transport und Lagerung, Design und Vertrieb auf die Menschen und den Planeten, ermitteln, bewerten, verhindern, abschwächen, beenden und beheben. Dazu müssen sie Investitionen tätigen, vertragliche Zusicherungen von den Partnern einholen, ihren Businessplan verbessern oder ihre Partner aus kleinen und mittleren Unternehmen unterstützen.

Informationsportal für Unternehmen

Die Verhandlungsführer stellten sicher, dass die Unternehmen auch sinnvoll mit den von ihren Handlungen Betroffenen in Kontakt treten, einen Beschwerdemechanismus einführen, über ihre Sorgfaltspflichten kommunizieren und dessen Wirksamkeit regelmäßig überwachen müssen. Ferner wurde festgelegt, dass die EU-Regierungen verpflichtet werden, Portale einzurichten, die sich mit den Sorgfaltspflichten von Unternehmen befassen und Informationen über Inhalte und Kriterien, entsprechende Leitlinien der EU-Kommission und Informationen für Interessenträger bereitstellen.

Sanktionen und Aufsicht

Jedes EU-Land wird eine Aufsichtsbehörde benennen, die überwacht, ob die Unternehmen diesen Verpflichtungen nachkommen. Diese Stellen werden bewährte Verfahren austauschen und auf EU-Ebene im Rahmen des von der EU-Kommission eingerichteten europäischen Netzes der Aufsichtsbehörden zusammenarbeiten. Sie werden in der Lage sein, Inspektionen und Untersuchungen einzuleiten und Strafen gegen Unternehmen zu verhängen, die sich nicht an die Vorschriften halten, einschließlich „naming and shaming“ und Geldbußen von bis zu 5 % ihres weltweiten Nettoumsatzes.

Schließlich ist Verhandlungsergebnis, dass Unternehmen für Verstöße gegen ihre Sorgfaltspflichten haftbar gemacht werden und ihre Opfer das Recht auf Schadenersatz haben. Die Einhaltung der Sorgfaltspflichten sollen als Teil der Zuschlagskriterien für öffentliche Aufträge und Konzessionsaufträge herangezogen werden können.

Kritiker befürchten Bürokratieaufwand und Wettbewerbsnachteile

Wirtschaftsverbände befürchten einen übermäßigen Bürokratieaufwand für Unternehmen und dadurch einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Firmen aus Drittstaaten, die nicht von den Regeln betroffen sind. Nach der Einigung teilte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger mit: „Das Ergebnis ist ein übereilter und handwerklich schlecht gemachter Kompromiss.“ DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks sagte, die Regelungen seien weder praxistauglich noch verhältnismäßig. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer bezeichnete das Vorhaben als den „nächsten Sargnagel für die internationale Wettbewerbsfähigkeit“.

Nächste Schritte

Die Einigung muss von Parlament und Rat noch bestätigt werden. Normalerweise ist das reine Formsache. Die Europaabgeordnete Svenja Hahn stellte am Donnerstag jedoch in Frage, ob das in diesem Fall geschehen wird. Entscheidende Punkte seien in den nächtlichen Verhandlungen nicht besprochen worden, so die FDP-Politikerin.

Aus Sicht der Baubranche stellt sich insbesondere die Frage, was es genau bedeutet, dass das Bauwesen zu den Wirtschaftszweigen gehören soll, wo Unternehmen bereits mit 250 Beschäftigten aufwärts in den Anwendungsbereich der EU-Richtlinie fallen sollen.

(Quelle: EU-Parlament, Presseinformation und LTO Daily, jeweils vom 14. Dezember 2023)